Endlich taucht der orangenfarbene Bus in der Ferne auf. Wie gewohnt rollt er durch
die Siedlung auf den großen Platz neben den Sportanlagen und parkt dort. Die
hydraulische Tür öffnet sich. Schon steigen die ersten „Kunden“ ein. Manfred
Böhnert, der den Bus fährt, und seine Kollegin Karen Eichler haben gerade ihren Platz
im Bus genommen. Hier sind bereits Kinder und Erwachsene fleißig beim Auswählen.
Neues Lesefutter wird gesucht, das für vier Wochen reichen muss. Erst dann kommt
der orange Buchtransporter wieder. Der Bus verkehrt streng nach Fahrplan. Zu
festgelegten Terminen und Uhrzeiten hält er immer an denselben 88 Plätzen.
Zuverlässig und vertraut seit 30 Jahren. So lange gibt es den „Bücherbus“ im
Märkischen Kreis (Nordrhein-Westfalen) schon. Und niemand will auf ihn verzichten.
„Das ist doch praktisch“, erklärt Schüler Fabian den Wert der Fahrbücherei, „da
brauche ich nicht in die Stadt zu fahren. Der Bus kommt hierher, wo ich in der Nähe
wohne“.
Die meisten Leser sind Kinder und Jugendliche. Entsprechend groß ist das Angebot
für die jungen Leser an Büchern, Zeitschriften, Hörbüchern, Videos und
Computerprogrammen. „Wir haben hier 4500 „Medien“, also Titel, an Bord“, sagt
Manfred Böhnert. „Und was wir hier nicht haben, können wir beim nächsten Mal aus
der Kreisbibliothek mitbringen, dort gibt es 52000 „Medieneinheiten“ im Angebot.
Was auch hier nicht zu bekommen ist, wird über den „Auswärtigen Leihverkehr“
beschafft“, ergänzt Karen Eichler. Dennoch — Engpässe sind nicht zu vermeiden. Die
Harry-Potter-Welle schwappte auch bis in den Bücherbus. Elf Vorstellungen gibt es,
die vier vorhandenen Bände sind schon lange ausgebucht. Da muss man Geduld
haben, denn es kann Monate dauern, bis man ein so begehrtes Buch in Händen hält.
Sachbücher, Tierbücher und Magazine sind weitere Kategorien, die bei den jungen
Lesern oft gefragt sind. Das bestätigen auch Friederike und Jessica, deren Hobby —
natürlich — Lesen ist. Jessica sucht die Bücher für ihren sechsjährigen Bruder mit
aus. Sarah reserviert sich gerne Witzebücher. Sie kommt seit 1998 regelmäßig in den
Bus. Johannes steht mehr auf Detektivgeschichten und spannende Krimis. „Oft
werden die Kinder und Jugendlichen von ihren Eltern aufmerksam gemacht oder
gleich mitgebracht“, stellte man in der Fahrbibliothek fest. „Auch die erwachsenen
Leser fragen natürlich Bestseller“, sagt Manfred Bönehrt, der sich über jeden
Besucher freut. Gelesen wird immer. Und die Leselust gibt es in den elf Jahren, in
denen er mit dem Bus unterwegs ist, immer noch.
Rollende Büchereien gibt es in erstaunlich vielen Orten Deutschlands, verrät ein Blick
ins Internet.
Mit ihnen erreicht man auch die Menschen in kleinen Orten, die nicht bis zu einer
„stationären“ Bibliothek fahren können. Weil heute viel gespart wird, musste auch
der Märkische Kreis vor sechs Jahren auf einen von zwei Bücherbussen verzichten.
Aber der verbliebene Bus ist von den Benutzern heiß und innig geliebt. Die
Besatzung des Busses hat für jeden Leser ein freundliches Wort übrig. Vielleicht
sorgt auch dieses persönliche Verhältnis für die Erfolgsgeschichte des mobilen
Lesetreffs. Denn die Bilanz dieses Bücherbusses kann sich sehen lassen: Jährlich
werden etwa 83000 Einheiten von ungefähr 2200 Lesern ausgeliehen.